Logbuch
MÜDE MÄNNER.
Keine weiteren Wortwitze über Lars Klingbeil; der Mann ist im Amt. Das sage ich auch über Friedrich Merz. Auf den Schultern dieser beiden Männer ruht die Verantwortung für‘s Land. Nicht nur, aber auch. Ich habe aus der Naherfahrung ein Gefühl dafür, wie hoch der Arbeitsdruck ist. Deshalb mein Respekt! Das ist mein bitterer Ernst. Hier endet des Hofnarren Macht. Alles Gute, Lars!
Mir fällt schon seit längerem auf, wie respektvoll sich jene Politiker untereinander behandeln, die mal „ChefBK“ waren. Ein Mörderjob, Leiter des Bundeskanzleramtes. Jedenfalls traf ich gestern Lars am späten Nachmittag und er sah echt müde aus. Nicht jene Müdigkeit, die mit einem beherzten Gähnen verflogen wäre, sondern die böse, die sich in der Knochenmühle ins Hirn frisst. Und ich wusste: Das, lieber Lars, wird Dich jetzt nicht mehr verlassen. Schlafentzug.
Sleepy Joe Biden wurde verspottet. Man sagt, dass ein starker Kaffee helfe; aber das ist Hausfrauen Schnack. Churchill hat Whisky „the lifeblood of all tired men“ genannt und er war solche Stützen gewohnt; schon als junger Mann ging er nicht ohne Adjutant ins Feld. Schließlich musste ihn jemand morgens anziehen. Zum Kaffee gehört der Tabak. Schröder genoss mit großem Sachverstand seine Kubaner; er hat mich mal mit einer Zigarre aus anderen Gefilden erwischt und harsch getadelt.
Drogen und Macht sind ein Thema, so wie Drogen und Krieg eines sind. Aber das ist, wie Kipling sagt, eine andere Geschichte. Ich wünsche von frischen Jünglingen regiert zu werden, weiß aber, dass die Welt nur müde alte Männer hat. Wie ist das eigentlich bei Frauen? Angela Merkel sah ja immer bettreif aus. Kann man sich die Eiserne Lady müde vorstellen oder Ursula von der Leyen? Nun, die ist Ärztin und kann sich selbst ein Rezept ausstellen. So bleibt man resp. frau auch schlank.
Meiden wir Mädchenwitze und sprechen in allem Ernst geschlechtsneutral von müden Menschen an der Macht. Schlafentzug ist Folter. Das beunruhigt mich. Ich will von AUSGESCHLAFENEN regiert werden. Vielleicht würde eine Pflicht zum Mittagsschlaf wie in der Kita auch in der großen Politik helfen. Mein Ernst.
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IN GOD WE TRUST.
Märchen aus tausend und einer Nacht. Dem amerikanischen Präsidenten sei bei seinem Staatsbesuch in Quatar ein Flugzeug zum Geschenk gemacht worden, das 400 Millionen Dollar wert sei; er habe erklärt, es anzunehmen. Seine Airforce One sei eine 35 Jahre alte Mühle. Märchenstunde. Die Quataris hätten damit gute Erfahrungen gemacht. Der türkische Präsident habe ein solches Gastgeschenk angenommen. Gleichzeitig sei ein Vertrag mit Boeing unterzeichnet worden, mit dem 160 Flugzeuge in den USA bestellt worden seien.
Moment! Immer langsam mitti jungen Pferde. Mythen stimmen mich skeptisch, wenn sie allzu gut zu Vorurteilen passen. Brechen wir es runter. Erstens bin ich frei von Neid. Wenn da jemand den Scheich reich macht, soll er ein Leckerli genießen dürfen. Zweitens wird auch umgekehrt ein Schuh draus. Ich lobe Politik, wenn sie Arbeit schafft, insbesondere industrielle. Man sieht ja bei Ford in Köln, wie schwer die Amis es heutzutage industriell haben. 160 für‘s Land, 1 für den Chef: fair deal.
Drittens ist ja gänzlich unklar, ob die Person das Ding kriegen würde oder das Amt. Ich weiß etwas von der zeitlichen Belastung in Spitzenämtern, da braucht es gute Flieger. Und eine großzügige Handhabung. Ein Volk, das da nicht wirklich großzügig ist, wird zurecht schlecht regiert. Aber ich habe gestern Morgen im Café Einstein Unter den Linden Hiltrud gesehen, die dort mit einer Freundin frühstückte; das bringt assoziativ das Thema COMPLIANCE auf dem Tisch. Hiltrud war dafür mal in einem mir vertrauten Konzern zuständig. Man muss von ihr etwas halten.
Compliance? Gemeint ist mit dem Modewort, dass sich ein Unternehmen auch dann an Recht & Gesetz hält, wenn es schlecht für‘s Geschäft ist. Im Zuge dieser Regelorientierung sind in den Konzernen die Juristen zu einer unvorhersehbaren Machtfülle gekommen. Auch wenn das schlecht für‘s Geschäft ist. Einwand Nummer fünf: Zu diesem Thema habe ich selbst nichts beizutragen, da mir jedwede Erinnerung an Fallbeispiele aus meiner Erfahrung fehlt. Und das bleibt auch so.
Ein Verleger, sprich der Boss eines Verlagshauses also, hat mir mal erklärt, warum er bei seinem Geschäft für diese Compliance sei und gegen bestechliche Journalisten. Das seien ja kleine Geschäfte, an denen er nicht beteiligt sei; ihm ginge es aber um die großen, die zu seinen Gunsten. Das ließ mich lächeln. So geht ja auch Börsenaufsicht. Die kleinen Sauereien verbieten, damit die großen möglich bleiben. Eine marxistische Pointe. Ich bitte um Nachsicht.
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MEMENTO MORI.
Gestern wäre eine gute Gelegenheit für Bomber Harris gewesen, alle Lobbyisten loszuwerden. In Berlin tagte gleichzeitig das Wirtschaftsforum der SPD und der Wirtschaftsrat der CDU, in Walking Distance voneinander getrennt. Ich war auf beiden Feten und kann berichten, dass niemand die Grünen und die Gelben vermisst; bei den Grünen ist das weniger auffällig, da das Geschrei aus der Fraktion die verlorene Regierungstätigkeit ersetzt. Noch, also vorübergehend.
Was mir für meine Generation auffällt: Die anderen alten weißen Männer werden älter. Einzelne sind fast schon Greise, andere fehlen ganz. Nur ich bin in voller Blüte. Forever young. Von einem Intimfeind höre ich schließlich, dass er ernsthaft erkrankt ist; schade, er fällt damit als billiges Opfer für Rufmord aus; nicht mal üble Nachrede geht noch. Man ist zur Höflichkeit verdonnert. Spaß vorbei.
Politisch gibt es nichts Neues. Die Schwarzen erweisen sich wieder als Kanzlerwahlverein, die Roten sind vom Phantomschmerz irritierte Scheinriesen. Man spielt all überall in einer anderen Liga. Ich war früh im Bett. Im eigenen.
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Himmelfahrt am Hindukusch: ein Versuch der Wehrkraftzersetzung
Im moralisch empfänglichen Teil der Politik und der evangelischen Kirche tobt ein Streit darüber, wie man sich von der Kanzel zu Fragen von Krieg und Frieden äußern darf. Das habe ich immer an den Protestanten geliebt, dass sie sich politisch unkorrekt äußern. Das haben sie von ihrem eigentlichen Religionsstifter, dem jüdischen Wanderprediger Jesus von Nazareth, und ihrem uneigentlichen, dem vorlauten Mönch Martin Luther. Bei den Katholiken gibt es da wohl eher eine Tradition des Einsegnens von Panzern.
Aber es geht nicht um Religion, es geht darum, dass mein Vaterland in meinem Namen einen Krieg führt. Und dass ich mich als Bürger dazu verhalten muss, so oder so. Redeverbote und scharfe Töne helfen dabei nicht; sie sind meist das Gegenteil von Debatte, nämlich der Versuch, mittels moralischer oder politischer Keulen eben diese zu verhindern.
Gerade weil der deutsche Kriegsminister Baron zu Guttenberg meiner Bischöfin das Maul verbieten und sie an die Front schicken will, erscheint mir Nachdenken angebracht. Gerade wenn man selbst von den Urgesteinen der Grünen bellizistische Abwägungen im Kampf gegen den Terror, vormals die Achse des Bösen, hört, will ich mir als Bürger das Thema nicht von der Agenda nehmen lassen.
Ja, ich habe verstanden, dass man die Terroristen der Taliban nicht mit guten Worten besiegen kann. Nein, ich bin mir nicht sicher, dass ich an einem Endsieg im „war on terror“ mitarbeiten möchte. Also zunächst mal Gelassenheit in die Debatte; es geht schließlich um was. Uns umfangen Nebelschwaden der Staatsräson und des Kulturkampfes, angesichts derer man nicht räsonnieren dürfe, wird mir geraten; das gefällt mir als Vorschlag an meinen staatsbürgerlichen Verstand grundsätzlich nicht.
Je älter ich werde, desto mehr missfallen mir Menschen, denen die nötige Gelassenheit fehlt. Wie habe ich in meiner Jugend radikale Sprüche geliebt. Als Knabe wurde ich evangelikal erzogen. Da hatte man das Monopol auf das Wort des Herrn und ging mit dieser Selbstgewissheit nicht eben zimperlich um. „Ich bin nicht gekommen, den Frieden zu brin-gen, sondern das Schwert“; das hat man beim Christlichen Verein Junger Männer aus dem Neuen Testament zitiert. Als Student erweiterte man die Lektüre, verringerte aber den Furor nicht. An die Wand des neugebauten Hörsaals meiner Uni hatte jemand gesprüht: „Schade, dass Beton nicht brennt.“
Jedenfalls im zweiten Anlauf und bei näherer Betrachtung. Und diese nähere Betrachtung ist das Kalkül, wie ein solcher Bellizismus wohl auf uns, die Bürger, wirkt. Der erfolgreichste deutsche Populist mag an seinem Platz in der Hitparade beliebter Politiker nichts ändern. Also sage ich als erstes: wohl gesprochen, Frau Käßmann. Solche Predigten dämpfen offensichtlich die Kampfeslust der Truppe an der, wie hieß das Wort noch von Herrn Oberst, Vernichtung von Mann und Maus. Bin ich mit diesem Urteil jetzt Pazifist? Habe ich die Truppe, im Felde unbesiegt, an der Heimatfront verraten? Wird diese Weichei-Argumentation der weltweiten Bedrohung durch den Terror gerecht? Macht es Sinn, auf einen feindlichen Fundamentalismus mit Relativierungen zu reagieren? Wäre nun nicht Prinzipientreue angebracht?
Aus unseren Geschichtsbüchern scheint die Lektion des Appeasement auf, das die Engländer zunächst gegen Hitlerdeutschland versuchten und das so erbärmlich scheiterte. Gemach. Ich hatte schon tiefe Zweifel, als der damalige Außenminister Fischer von den Grünen den Balkankrieg mit der Auschwitzanalogie zu begründen suchte. Erinnern wir uns an unseren Vorsatz der Gelassenheit. Am wenigsten kommt man zu ausgeruhten Einsichten, wenn man religiösen Fundamentalismus predigt. Kehren wir in dieser Frage vor der eigenen Haustür und wenden für eine Sekunde den Blick vom allgegenwärtigen islamischen Fundamentalismus ab. Statt in angstbesetzte Szenarien vor dem fanatischen mohammedanischen Morgenland zu fliehen, macht es vielleicht für einen Augenblick Sinn, auf die westliche Wiege des Fundamentalismus zu schauen.
Sie steht in Nordamerika, in „god’s own country“. Seit den siebziger Jahren erhebt dort eine „moral majority“ ihr Haupt, die zunächst Ronald Reagan, dann George W. Bush beflügelte. Dies ist ein erklärter Kampf gegen die vermeintlichen Errungenschaften der Aufklärung und der Naturwissenschaften, ein dezidiert antimodernes Selbst-verständnis. Es beginnt mit einer Absolutheit einer Schrift, der Bibel, genauer gesagt, der Laienlektüre dieser Bibel. Man glaubt, dass Gott selbst der Autor ist und jeder Joe Six-Pack, der aus ihr irgendetwas herausliest, die Stimme des Herrn.
Aber das wäre nur noch eine Sekte; der Multiplikator entsteht medial. Der evangelikale Fundamentalismus vollendet sich durch das Fernsehen. In den elektronischen Kirchen wird die naive Exegese, die willkürliche und ideologische Laien-Interpretation, zum Phänomen der Demagogie. Eigentlich ist es ein Kranz von Mythen, der die Evangelikalen belebt: nicht nur die unbefleckte Empfängnis und leibliche Auferstehung, auch die Schöpfung als Anti-Darwinismus, das Abtreibungsverbot und die Homoerotik als Sodomie, die Verbannung des Staates aus der freien Wirtschaft und viele andere Trivialmythen mehr. Vor allem aber die Präsenz Satans, des Bösen. Zur Zeit hält er sich, wenn man Fox News glauben darf, im Jemen auf.
In der Gegenwelt türmen sich die islamisch inspirierten Mythen des Anti-Westlichen. Der christliche Fundamentalismus und der islamische spielen sich auf eine Freund-Feind-Konstellation ein. Meine Neigung, mich in vormoderne Kreuzzüge ziehen zu lassen ist gering. Also könnte ein „Vernichtungskrieg“ angezeigt sein. Man könnte meinen, dass am Hindukusch die Guten gegen die Bösen kämpfen, nein, präziser, die Guten gegen das Bösen. Dann hat man das Niveau von Sarah Palin endgültig erreicht.
Wer das alles mit Gelassenheit zu studieren weiß, sieht den Internet-Islamismus mit anderen Augen. Nicht wohlgefälliger, aber kundiger. Die dschihadistischen Selbstmordattentäter sind keine Fundamentalisten, die ihr eigenes Leben für ihre Sache opfern. Es sind Selbstmörder, die ihrem sinnlosen Tun durch die islamistische Aura eine Bedeutung geben wollen. Das ist nicht das Gleiche. Der französische Politologe Olivier Roy, ein ausgewiesener Kenner des Islam, hat darauf hingewiesen, dass die bisher berühmt gewordenen islamistischen Terroristen aus aller Herren Länder und den unterschiedlichsten Kulturen stammten.
Das lesend fürchte ich um all die verzweifelten jungen Männer islamischer Provenienz auf dieser Erde. Man wird sie nicht alle, wie hieß das Wort, vernichten können. Talibanbüros im Jemen kann man bombardieren wie Tanklaster am Hindukusch, aber nicht das Internet. Mythen verbrennen nicht.
Quelle: starke-meinungen.de