Logbuch

DIE AUFTEILUNG DER WELT.

Man wundert sich über die Töne aus dem Reich der Neuen Rechten in den USA zur Rollenverteilung in der Welt. Die Fans der Tea Party klingen wie Wiedergänger längst vergangener Zeiten; sie klingen wie ihre eigenen Kolonialherren, von denen sie sich 1773 freimachen wollten. Das war ja wohl die Bostoner Tea Party. Aber Geschichte wiederholt sich; leider keine bloße Farce. Deshalb der Reihe nach.

In der kolonialen Weltsicht gibt es kein vielseitiges Miteinander der Völker dieser Erde. Es gibt den Rest der Welt nur als einen bunten Zoo, in dem man sich nach Herzenslust bedienen kann. Das Recht auf Ausbeutung beschränkt sich nicht auf exotische Früchte; es schließt die Bodenschätze ein und am Ende die Menschen als Sklaven. Gleichzeitig hat man immer schon seine Rolle als Kolonialherr verklärt. Am erfolgreichsten wohl die Engländer im Konzept des edlen und daher sanften Mannes, dem „gentleman“.

Dabei hat man nicht alles spätere Übel erfinden müssen; oft wurden nur örtliche Unarten zum System erhoben und zur Weltherrschaft gebracht. Das gilt für das Opium wie den Sklavenhandel. Man langte zu, weil man die fremde Welt so angelegt sah, als Gelegenheit zur Bereicherung. Was der Portugiese einmal in Händen hat, sagte ein Sprichwort, das gibt er niemals wieder her. Und der Moff!

Mynheer Peeperkorn ist eine literarische Figur bei Thomas Mann, übernommen aus einem gängigen Vorurteil seiner Zeit, dass die reichen Holländer ihren Wohlstand dem Gewürzhandel mit den Molukken verdankten. Das mag heute amüsant finden, wer am Sonntag vom Niederrhein oder aus dem Revier ins Nachbarland rüberfährt, um zu shoppen. Denn natürlich haben die Supermärkte dort am Sonntag auf. Die Moffen sind eine Nation der Händler und für ihre Geschäftstüchtigkeit bekannt.

Das begann schon zu Beginn des 17. Jahrhunderts, wenn nicht früher. Damals beherrschten die Welt zwei kleine Nationen, die Flamen und die Portugiesen. Sie brachten das Opium in die Welt, diese Drecksäcke. Ich lese SMOKE AND ASHES, eine Geschichte des Opiums, von einem kundigen Bengali verfasst, den ein Zorn auf die „Vereenigde Oostindische Compagnie“ treibt; der ostindische Gewürzhandel als Motor des Kolonialwarenhandels. Später steigen hier in großem Stil die Briten ein; die „confessions of the English opium eater“ werden Weltliteratur. Wir haben Zeugnisse von George Orwell und Rudyard Kipling, die beide vor Ort waren.

Opium diente eingangs zur Unterwerfung der dazu verführten Völker und dann als Handelsgut. Natürlich war es angenehmer, sein Schiff mit dem weißen Poppy-Gold zu beladen als mit Bergen von lebenden Leibern. Leider vergleicht mein Autor die Opiumkriege, die bis ins 18. und 19. Jahrhundert gingen, mit dem heutigen Vorgehen von Big Pharma. Das halte ich für überzogen. Aber so ganz sicher sein kann man nicht. Denn das Koloniale hatte immer eine doppelte Tugend: Die fürchterlichen Dinge draußen in der Welt zu tun und dabei zuhause gut auszusehen. Der Tee in der Tasse des Gentleman hat nie berichtet, wie er da wohl hinkam.

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QUAX DER BRUCHPILOT.

Unter den Schlapphüten (Nachrichtendienstler, Geheimagenten, Verfassungsschützer) da heißen die besonders wichtigen „Einflussagenten“, weil sie einen ebensolchen haben. Natürlich zählt dabei nicht der Bäcker von der Ecke oder der Kegelbruder, sondern nur eine hochgestellte Persönlichkeit. Sagen wir: der nächste Papst. Wer den näher kennt, der gilt was; weil er möglicherweise höheren Orts einen Einfluss hat. Oder, noch besser, schmuddelige Sachen aus der Sakristei weiß, die man noch mal zur Erpressung nutzen könnte.

Unter Journalisten gibt es dazu einen besonderen Wettbewerb. Sie sind nämlich alle berufsbedingt schizophren; sie wollen einerseits die Kritiker der Mächtigen sein, noch lieber aber geliebt werden und von deren Tisch essen. Viele geborene Speichellecker. Ich selbst habe nie einen Einfluss gehabt, aber einige Journalisten dieses Kalibers gekannt. Das geht mir durch den Kopf, da ein neuer Kanzler ins Amt kommt. Wer mag sich jetzt als Confident von Friedrich Merz in Pose werfen? Wer weiß wirklich kompromittierendes Zeug?

So hat mir mal ein Journalist, deutlich angeheitert in einem einschlägigen Strandrestaurant auf Sylt, erzählt, dass er mit der Konkubine des Kanzlers gut sei. Wohlgemerkt, nicht die Gattin war gemeint, sondern die Geliebte. Das ist lange her, der Kanzler schon unter der Erde, aber ich habe ihn, den Mann von Einfluss noch letzte Woche im Borchardt gesehen. Anderer Journalist, späterer Kanzler; man sei, behauptet er kühn, zusammen in México im Puff gewesen. Dolles Ding. Dönekes? Von Whisky-Willy will ich erst gar nicht anfangen, weil ich das nur dem Hörensagen nach kenne.

Von dem kommenden Kanzler kann man sich so was gar nicht vorstellen. Juristen stehen ohnehin im Verdacht, sich durch Zellteilung zu vermehren, allemal bei den Eingeborenen aus dem Sauerland. Dröge Dörfler. Womit wir bei der Frage wären, ob die kinderlose Merkel, Mutti nur dem Namen nach, Freunde unter den Journalisten hatte. Jedenfalls keine, die ihren vermeintlichen Lover kannten oder angeblich mit ihr im Puff waren; das halte ich für sicher. Bei näherem Hinsehen entdeckt man, dass gar keine Freunde von ihr bekannt sind, jedenfalls nicht unter Journalisten. Ein beachtlicher Befund.

Ich habe ihre Autobiografie nicht gelesen, aber mit einem Historiker geredet, der sich das angetan hat. Er berichtet von einer frugalen Ödnis, einer protestantischen Freudlosigkeit, die ihres gleichen suche. Fritze ist aber katholisch. Das wird also beim incoming boss anders sein. Quax in fidel. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

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DER NEUE REGIERUNGSSPRECHER.

Der Koalitionsvertrag zwischen Merz, Söder, Klingelbühl und Esken steht; auch die Ressortverteilung im neuen Kabinett. Damit geht die Flüsterei von Namen los: Wer wird wohl konkret welches Ressort erhalten? Gesetzt scheint bisher nur Merz und Esken. Dabei spielen geheime Proporzfragen eine Rolle, etwa der Anteil Unterfrankens oder die Frage des Geschlechts.

Mich interessiert natürlich besonders, wer Regierungssprecher wird. Ich meine, vom Fach her. Man sollte vermuten, dass dies der Spin Doctor der neuen Bundesregierung ist; das aber ist nicht so. Der Grundwiderspruch von Regierungs-PR liegt darin, dass die Regierung behauptet, gar kein PR zu machen. Paradoxie im Amt. Zum Hauptwiderspruch kommen aber zahlreiche Nebenwidersprüche.

Erstens ist der Regierungssprecher nie Chef, weil die Funktion mit Abgesandten aller Koalitionsfraktionen besetzt wird, die aufeinander aufpassen sollen. Wir erwarten also einen Abgesandten von Herrn Merz (CDU) und einen von Herrn Kiebeling (SPD), die sich dann belauern werden.

Zweitens ist die vermeintliche PR-Truppe der Bundesregierung eine stattliche Behörde mit gut fünfhundert Beamten, die in sich schon die Agilität einer Sterbekasse haben. Zudem gehört den 5 Hundertschaften nicht mal die Bundespressekonferenz; das ist in Deutschland ein privater Verein, den die wichtigen Journalisten notorisch meiden. Es kommt nur Thilo Jung, also niemand. Das war das dritte oder vierte; ich verliere den Überblick.

Wesentlich ist aber, dass das Presse- und Informationsamt nie von Fachleuten geleitet wird, sondern immer nur von Journalisten, die dazu „die Seiten wechseln“, wie sie selbst sagen. Keine Fachleute. Dass diese Schwarzarbeiter aus der Presse keine PR-Profis sind, merkt man an allen Ecken und Enden.

Und ich kenne mich aus: Mein Onkel Heinz war Nachrichtenchef unter Adenauer. Von Bölling bis zum BILD-Chefredakteur: Ich kenne eigentlich alle Sprecher aus neuerer Zeit; auch den, der dafür zuständig war, dass Schröder keine Schuppen auf dem Revers hatte. So die Worte seines Chefs.

Das BPA macht keine PR; es informiert nur über die Arbeit der Bundesregierung. So zum Beispiel darüber, dass der Dicke neben der Esken gar nicht Klingelbeil heißt. Und zu der Frage, wo die böse Frau ihre Kleider kauft, da sagt er „Kein Kommentar!“ Eigentlich ist das ohnehin sein Lieblingssatz. Und das ist auch gut so. Das wirkliche PR der Regierung, Lehrsatz, ist okkult.

Trotzige Nachfrage: Wer macht denn Regierungs-PR, wenn das die Regierung gar nicht selbst macht? Gute Frage. Das werde ich mal die Damen und Herren bei den steuerfinanzierten NGOs fragen. Vielleicht hat Correctiv eine Ahnung, wer das bisher gewesen sein könnte. Ironie aus.

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CHATHAM HOUSE RULE.

Teilnehmer einer Runde unter der Chatham Haus Regel dürfen Gesprächsinhalte zwar als ihr Wissen zu erkennen geben, ohne aber die Quelle oder den Quellenkontext zu offenbaren. Auch: „unter Drei.“ Anzunehmen, das könnte in Internetforen wie CLUBHOUSE gelten, ist naiv. Als STREET DOG der PR sage ich zudem: Es gilt auch nicht gegenüber allen (!) Journalisten, jedenfalls dann nicht, wenn diese, unter dem ideologischen Vorbehalt der HALTUNG, die Informationen gegen ihre Gegner verwenden können. „Wirkliche Geheimnisse“, hat ein alter Boss mir mal gesagt, „erzähle ich nicht mal mir selbst.“