Logbuch

VORBILDER.

Als ich noch bei ARAL war, folgten die Klugen unter den Kollegen einem seltsamen Sprichwort. Es lautete: „Die SHELL macht keine Fehler.“ Jedenfalls nicht im Tankstellengeschäft. Hier galt „retail is detail“; man hatte schon genau hinzusehen. Was die Gelben machten, das schaute man sich immer ganz genau an. Jedenfalls wir, die Weiß-Blauen. Ich habe mir damals klammheimlich eine Sondermeinung zugelegt. Für mich machten die Roten keine Fehler; jedenfalls in meinem Fach, der PR.

Wir sind im Fall der Brentspar, einem riesigen Off-shore-Tank, der entsorgt werden sollte, woraus Greenpeace eine ganz große Nummer machte. Das Ding gehörte hälftig SHELL und ESSO. Es hätten beide im Senkel stehen müssen. War aber nicht so. Der geschätzte PR-Kollege bei den Gelben gab den reuigen Sünder und zog den Greenpeace-Groll komplett auf sich; er durfte dann im Büro übernachten. Ach, Klaus-Peter. Wie der PR-Mann der ESSO hieß, weiß heute niemand mehr. Auch damals nicht. Er ist einfach nicht ans Telefon gegangen. Zudem bestand er darauf, nicht geduzt zu werden. Ach, Herr Doktor Eich.

Wir lassen jetzt mal die Debatte um deap sea dumping, also darum, dass die Blechdose in der Tiefsee keinen Schaden angerichtet hätte, weil das außerhalb der Biosphäre ist, aus (stattdessen hat man das Monster in Norwegen an Land auseinandergeschweißt). Wir lassen auch mal unsere damalige Überzeugung, dass die Doofen grün sind (sprich BP), außen vor; zumal die dann ARAL gekauft haben. Es geht mir um den Punkt: Wir haben uns dafür interessiert, was der Rest der Welt macht. Wir hatten Vorbilder. Sonderwege galten als riskant.

Neuerdings sagen SHELL, ESSO, BP und TOTAL, also alle, dass eine Klimaneutralität bis 2050 nicht zu erreichen ist und alle streichen ihre Investitionsprogramme in eine vollständige Wende schon bis 2045 deutlich zusammen. Alle doof, außer wir? Die großen deutschen Stromversorger blicken besorgt auf die Blütenträume einer inzwischen abgewählten grüngestimmten Regierung und den Scherbenhaufen halbfertiger Gesetze. Am fehlenden Geld kann es allerdings künftig nicht mehr liegen. Es regnet gerade Sondervermögen.

Ich rufe einen Freund aus alten Zeiten in London an. Was sagen die Gelben zum deutschen Fiasco? Er lacht. Was sie immer gesagt haben: „Nicht zu Ende gedacht, nicht vom Ende her gedacht.“ Das könne man auch durch rainmaking nicht heilen. Die deutsche Krankheit, oberschlau und unterkomplex.

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ECCE HOMO.

Auf einem Flohmarkt durchblättere ich einen noch ganz frischen Ausstellungskatalog einer Caravaggio-Geschichte in Madrid und versäume es, das Ding mitzunehmen, weil ich es nicht am Flugplatz durch die Sicherheit schleppen will; nun hängt es mir nach. Der Titel zeigt eine Ecce-Homo-Szene, wie sie im christlichen Mittelalter beliebt war, ein zentraler Moment der Passion.

Wir sehen den blutigen Nazarener mit einer Dornenkrone und in ein purpurnes Tuch gehüllt; die Verhöhnung des Märtyrers als König der Juden, in dem Moment da der Statthalter Roms ihn der rachsüchtigen jüdischen Menge präsentiert. Man weiß, wie das ausgeht. Jetzt aber sagt der Römer: „Hier ist der Kerl!“ Im Griechen nennt er ihn einen Menschen; die lateinische Vulgata macht aus dem Anthrops einen Homo und man weiß nicht so genau, ob Pontius Pilatus einen Ton des Mitleids mitschwingen ließ, als er „ecce homo!“ ausrief.

Der unsägliche Friedrich Nietzsche hat die Unverschämtheit besessen, seine Autobiographie so zu nennen. Überhaupt war der Umgang von Atheisten wie der der Christenheit selbst mit dem Leiden ihres Heilands oft sehr unvermittelt. So hat man die Szene etwa genutzt, um Antisemitismus gegen die Hohen Priester und Juden überhaupt zu schüren (und die eigenen Hände in Unschuld zu waschen, wie schon der einschlägige Römer, der den König der Juden ans Kreuz schlagen ließ).

Das Bild Caravaggios aber verschlägt einem den Atem. Er malt nicht das Leiden des Herrn in der Verhöhnung. Er malt auch nicht die böswilligen Spötter, die den Dornengekrönten einen Königsmantel überwerfen. Caravaggio malt sich selbst, wie der eben diese Passion malt. Glatt die Hälfte des Bildes zeigt ihn, den Maler bei der Arbeit. Er dreht sein Gesicht über die Schulter in die Kamera; den Malstock haltend, beide Hände hebend. Jesus in der Mitte, eher im Hintergrund. Man wäre vorsichtiger im Urteil, wäre die Kunstgeschichte nicht voll von solchen Dreistigkeiten; etwa der Eitelkeit der Stifter bis ins Gotteslästerliche folgend.

Caravaggio feiert sich als künstlerischer Schöpfer. Er selbst ist der Mensch, auf den gewiesen wird. Ecce homo. Das ist dreist. Schade, dass ich den Katalog nicht mitgenommen habe. Jetzt komme ich nicht aus dem Grübeln, wie weit Eigen-PR gehen kann.

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MARSMÄNNCHEN.

Die Primitiven schätzen Primitives. Man verkenne nicht den Einfluss der Trivialliteratur auf die Doofen. Etwa den des Unterschichtfernsehens und -kinos. Ich habe mich schon immer für Schundliteratur interessiert; damit habe ich ganze Generationen von Hochschullehrern irritiert. Jochen Schulte-Sasse etwa hat das in einem ausführlichen Buch über „Literarische Wertung“ festgehalten; Friede seiner Asche; dem Mann schulde ich tatsächlich was. Aber das ist, wie Kipling sagt, eine andere Geschichte.

Man hat die fantastischen Wesen aus dem Weltall, die Außerirdischen, früher nach dem roten Planeten Marsmännchen genannt und sich darunter alberne kleine Wichte vorgestellt, die wie sprechende Tanksäulen aussahen. Sie kamen in fliegenden Untertassen. Man träumte ab da von einer bemannten Mars-Mission. Solche Trivialmythen wurden von einer Schundliteratur gepflegt, die sich Science Fiction nannte und keins von beidem war, weder höhere Wissenschaft noch gute Dichtung. Fiktiv, aber von faktischer Wirkung.

Wir wissen zum Beispiel nach einem Zeugnis des DeepMind-Gründers Demis Hassabis, dass Elon Musk sein Raketenbauprogramm damit begründet hat, dass man eines fernen Tages vielleicht der irdischen Katastrophe auf den Mars entweichen müsse und dort das menschliche Bewusstsein retten. Seine Samenbank stünde dann auf. Drunter tut er es nicht. Man fühlt sich an Stanley Kubricks Film Dr. Strangelove erinnert. Das ist kein Zufall.

Es geht tatsächlich um Wernher Magnus Maximilian Freiherr von Braun, den Vater des amerikanischen Raumfahrtprogramms; keine Ahnung, wo der vorher war, bevor er die Kolonialisierung des Weltalls für Stars&Stripes betrieb. Er hat das später auch vergessen, was da in Peenemünde war. Dem Vater der großdeutschen Vernichtungswaffen jedenfalls verdanken wir auch Literarisches. In seinem Roman Projekt Mars beschreibt er die Erschaffung des Übermenschen auf dem Mars, so wird mir glaubhaft berichtet. Ich nehme das Buch nicht zur Hand.

Ich will in das krude Zeug gar nicht zu weit rein. Wahnsinn ist ansteckend. Leicht ist man infiziert. Es hat mir gereicht in der Inaugurationsrede von Donald Trump II zu hören, dass man die amerikanische Flagge dort auf dem Mars in den Grund rammen wird; wie wohl auch in Grönland, Gaza und Panama. Westward ho! Weichen wir aber nicht auf den Western als Trivialliteratur aus, es geht noch um Science Fiction.

Wir lernen etwas über die Genies der Gegenwart. Wer da wo sich wie gebildet hat. Im Roman des Wernher v. Braun von 1937 gibt es natürlich auch eine Regierung auf dem Mars, ein zehnköpfiges Gremium mit einem Führer. Jetzt kommt es: Der Führer auf dem Mars heißt Elon. Kein Scheiß.

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RESPEKT FÜR DICH.

Respekt für Dich? So steht das auf Wahlplakaten. Ein Versprechen. Und dreister Unsinn. Respekt hat man vor jemandem, nicht für ihn.

Was die SPD auf dem Olaf-Scholz-Plakat bedienen möchte, ist eine Ghetto-Hoffnung. Wer in meiner Berliner Hood ausdrücklich RESPEKT verlangt, möchte, dass sein provokatives Fehlverhalten auch noch durch Achtung belohnt wird. Es geht eigentlich sogar um mehr. Nicht nur Achtung, sondern Beachtung. Eine passive Aggression verlangt ostentative Bewunderung. Erfährt sie aber Ächtung, bricht sie aus und wird übergriffig. Beleidigungen, Anspucken, Angriffe, Bedrohung.

Respekt hat man vor jemandem; genauer gesagt: vor jedermann. Das hat nur vordergründig mit RECHTSGLEICHHEIT zu tun. Eher mit Ungleichheiten. Weil die Menschen verschieden sind und genau daraus der Reichtum einer Gesellschaft besteht. Da ist der Kern christlichen Denkens, dass das, was man dem Geringsten tut, man dem HERRN antut. Auch andere Religionen mögen das so sehen. Respekt ist ein MENSCHENRECHT. Das kann Olaf nicht verschenken, wenn man ihn wählt; damit man ihn wählt.

Mir wäre lieb, wenn der STAAT prinzipiell Respekt vor mir als Individuum hat. Das ist nämlich etwas anderen als jenes wohlfeile Geschenk, das da auf den Plakaten steht. Man kann mir nicht schenken, was man mir gar nicht hat nehmen können. Das ist diese Übergriffigkeit der Pandemie-Regime. Freiheit wird ein wenig erlaubt. Respekt für Dich, Du Untertan.

Menschenrechte sind „unveräußerlich“, so steht es in der Amerikanischen Freiheitserklärung. Eine Verfassung, die angesichts des eigenen Ursprungs als Sklavenhaltergesellschaft entstand. Als Ausgang aus der Versklavung. Man hatte den Sklaven genommen, was man gar nicht nehmen kann. Und man kann es nicht mit großer Geste zurückschenken. Danke Olaf, aber das ist verlogen. Lass stecken.