Logbuch
QUASI IM HOME OFFICE.
Wer sich in Fragen des SPA (Lateinische Abkürzung für „gesund durch Wasser“) auskennt, weiß darum, dass es neben der finnischen Sauna und der Bio-Variante für empfindsame Seelen wie dem türkischen Dampfbad jenen Bereich gibt, der Ruheraum heißt. Warum wissen die Götter, weil der Pinsel am anderen Ende des Raums lauthals telefoniert. Handyterror. Dabei fällt der Satz der Sätze: „Du, ich bin quasi im Home Office!“ Damit ist vollständig gesagt, warum dieses Land den Bach runter geht.
Im Nirvana von nichtigen Erreichbarkeitsposen lümmelt sich lasziv auf der Liege, was eigentlich ins Kontor gehörte. Die Faulenzer müssen nicht mal schwänzen, weil mittels Home Office ja „quasi am Arbeiten“. Ganze Belegschaften vereinzeln sich in die Simulation von Beruf, die nichts anderes als erschlichene Freizeit ist. Der nackte Arsch im Schwitzbad stört da nicht, zumal die häusliche Jogginghose auch nicht viel näher an dem ist, was mal Kleidung war. Wenn Industrie von dem Wort „Eifer“ kommt, so darf konstatiert werden, dass dieser gewichen und der Schweiß eindeutig nicht Folge von Anstrengung, sondern wg. Aufguss.
Das ist das eine, was aus den Saunen der Republik zu berichten. Das andere betrifft malerische Selbstverzierungen, sprich den Körper als Leinwand. Wenn ich mich umsehe, wird gewiss, was ich schon ahnte. Ich bin hier der einzige Homo Sapiens, dessen Haut nicht wie die Innentür einer Schultoilette aussieht. Man ist heutzutage tätowiert. Nun weiß man von dieser Kunst schon aus dem alten Ägypten; in Luxor fanden sich einbalsamierte Tempelhuren mit lockender Symbolik auf der Haut. Schon vor 3000 Jahren war das Tattoo des Jägers Sitte; bei Ötzi finden sich 61 solcher Verzierungen.
Der wirkliche Wandel liegt in der sogenannten Freizügigkeit. Früher als Code heimlich schwuler Männer sorgsam verborgen, prangt der Bebilderungszwang heute auf jeder Bäckereifachangestellten, und zwar im unbekleideten Teil. Das ist primitiver Stammeskult, ein manischer Ritus. Arschgeweih. Mehr kann ich im Moment an Nennenswertem nicht berichten; ich bin ja quasi im Home Office.
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DER PÄDAGISCHE EROS.
Oft belächelt, weil Jedermann Ressentiments zum Oberlehrerhaften hat, ungern belehrt wird, zumal wenn er irrt, oft belächelt ist die innere Begeisterung des Lehrers für seine Schüler. Es gibt keine größere Freude als die daran, eine geistige Selbstständigkeit wachsen zu sehen. Liebe zum wachsenden Wissen. Dem Altertum galt der Lehrer, der eine Schule zu begründen wusste, als wirklich Weiser.
Im Grunde ist so unser Religionsstifter beschrieben. Ein Wanderlehrer. Luther hat seine Schüler als Jünger bezeichnet; im Englischen „disciple“, was uns das Lateinische „discipulus“ wiederbringt, den Schüler. Mein Pauker für die Antike betrat die Klasse mit einem „salve discipuli“ und war mit „salve magister“ zu begrüßen. Wen Schule animierte, der vergisst seine Lehrer nicht.
Besonders schmerzt den geborenen Pädagogen das Bildungsverbot für junge Frauen in vormodernen Kulturen, Männergesellschaften, die wissen, was ihre patriarchalische Vormacht noch hält, der verwehrte Blick in die Bücher. Pädagogischer Eifer mag, wenn mit erhobenem Finger vollführt, penetrant sein, das genannte Oberlehrersyndrom, aber er gilt nie sich selbst, sondern eigentlich anderen einer anderen Generation. Das ist in sich erhaben.
Deshalb ehre man mir die Pauker; ich jedenfalls meine. Es war mir intellektuell nicht an der Wiege gesungen, dem umerzogenen Linkshänder, aber mit der Ambition des Maulfechtens kam die Rechthaberei, die zu überleben, in die Bücher zwang, deren Lektüre Folgen hatte. Wenn Frechheit siegen soll, bedarf sie des Fleißigen. An die Bücher! Solches hörte ich gern von meinem Vers.
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KEINE AMAZONEN BITTE.
Es werden bald wieder alle jungen Männer gemustert, um möglichst viele Söhne des Landes an die Waffen zu bringen. Ich rede hier wie die Jungfrau von der Kirmes, weil ich selbst den Kriegsdienst verweigert habe, was mein demokratisches Vaterland mir als Recht gewährte. Mein Herr Vater hatte mich damals dabei unterstützt; er selbst hielt es für puren Zufall, dass er nicht wie viele seines Jahrgangs als Kanonenfutter geendet sei.
Man mustert aber, trotz Zeitenwende, die Töchter des Landes nicht. Wie finde ich das denn? Ich habe dazu zwei Meinungen. Die erste ist: Eine eklatante Ungleichbehandlung. Das reißt immer mehr ein. Bei vielen Dingen, etwa der Berufung von Professoren, herrscht eine positive Diskriminierung von weiblichen Bewerbern bis an die Grenze der Rechtsbeugung. Und darüber hinaus. Wegen Gleichberechtigung wird auch dort bevorzugt, wo die Quote bereits erfüllt. Ich könnte dazu gerne Ross und Reiterin nennen. Ich tue es nicht, aber es gefällt mir trotzdem nicht.
Meine zweite Meinung ist: Die vorsätzliche Benachteiligung von Frauen ist ein anhaltender Skandal im Format eines Kulturbruchs. Man blickt hier wirklich noch immer in die Vorzeit der menschlichen Gesellschaft. Und der berechtigte Spott über muslimische Missstände sollte schweigen, solange ich in Rom keine Päpstin sehe; im jüdischen Matriarchat soll das besser sein, ich bin mir da aber nicht sicher. Fördert unsere Töchter! Sie sind vielleicht nicht der bessere Teil der Menschheit, aber ganz sicher auch nicht der schlechtere. Mein Ernst.
Zu den politischen Grotesken unserer Tage gehört, dass man erwägt, die männlichen Soldaten, die nunmehr ins Feld sollen, auszulosen. Losbude mit Teddybär? Das erscheint mir, dritte Meinung an diesem friedlichen Sonntagmorgen, zynisch. Man macht aus der Frage von Leben oder Tod als Staat keine Kirmes. Denn hier wäre ja die gezogene Niete ja der Hauptgewinn. Ein Glücksfall, wie ihn viele Ukrainische Männer genießen, die sich hierzulande mittels Bürgergeld drücken dürfen. Kein Vorwurf. Es ist nämlich niemals süß und ehrenvoll für das Vaterland zu sterben. Aber das ist, wie Kipling sagt, eine andere Geschichte.
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FLOHMARKT-REGEL.
Der amerikanische Präsident George W. Bush, nicht die hellste Kerze auf der Torte, hat im Jahr 2003 eine militärische Invasion des Iraks angeführt, bei der ihm die Engländer unter dem Premierminister Tony Blair gefolgt sind, Deutschland aber nicht. Bundeskanzler Gerhard Schröder und sein Außenminister Joschka Fischer waren vom Kriegsgrund nicht überzeugt. Der Kriegsgrund, bei den Alten CASUS BELLI genannt, im Englischen WAR CASE, der war schlecht erdacht. Eine dümmliche Lüge.
Ich höre Joschka noch in München im Bayrischen Hof, wie er dem amerikanischen Kriegsminister Donald Rumsfeld ins Gesicht sagte: „I am not convinced!“ Das hat mir damals sehr imponiert. Den Mut hatten Colin Powell und Condi Rice nicht, der übrigens bei mir um die Ecke am Spreeufer eine ganze Häuserzeile gehört. Aber das ist eine andere Geschichte, wie Kipling sagt.
Bush hatte in einem Akt der Selbstüberredung den irakischen Diktator als „bösen Typen“ identifiziert, den er killen müsse, und ihm durch die Desinformationstruppe der CIA unterstellen lassen, dass er über Massenvernichtungswaffen verfüge und enge Verbindungen zu islamistischen Terroristen,sprich Al Quaida, habe. Ein Unsinn. Saddam Hussein war ein säkularer Sunnit. Ein Land zerbrach also im Chaos. Es starben mindestens 200.000 Zivilisten und knapp 5000 Militärs; die ersten auf irakischer Seite, die zweiten auf Seiten der Invasoren. Ein Desaster.
Das britische Militär soll sich, entnahm ich neulich einer englischen Quelle, dabei dramatisch blamiert haben. Auf ihre Nordirland-Erfahrung verweisend haben die Herren in Khaki sich im Irak als überfordert erwiesen; nicht mal Befragungen unter Zwang, vulgo Foltermethoden, haben es ermöglicht, eine Besatzungsordnung zu errrichten. Man floh bei Nacht und Nebel unter amerikanischem Schutz. Und Toni Blair hat, out of office, über die Kanzlei seiner Frau jedwedem Despoten der Region als Berater gedient, sagen seine Feinde.
Warum hat man Bush nicht von Anfang an von diesem Irrsinn abgehalten? Der Präsident war zwar für sich sehr entschieden, sagen Zeitzeugen, aber eben auch extrem leichtgläubig. Das hätte klappen können. Er war bekanntermaßen zwar einsinnig, litt aber unter einem „utter lack of inquisitiveness“ (Robert Draper), das ist die Unfähgikeit, kluge Fragen zu stellen, oder dumme. Jedenfalls nachzufragen.
Außenminister Colin Powell hatte, lese ich bei Robert Draper, dazu diese Regel aus dem Scheunenbazar mit antikem Porzellan („Pottery Barn Rule“): Wer es zerbricht, der hat es damit gekauft. You break it, you own it. Aber so vordergründig kann doch Weltgeschichte nicht sein. Aber was weiß ich schon.